- TRITT ein und nimm die Binde von den Augen,
- Dies ist der grüne Tempel deines Traums:
- Wo Flügel sirren, Rüssel Nektar saugen,
- Holunder sich im Stürzen hellen Schaums
- Verströmt, soll dir zum Stab die Hasel taugen,
- Und Natter beugt als Hüterin des Saums,
- Verjüngter Haut, auf der die Siegel blinken,
- Ihr Haupt, vom Tau des ersten Tags zu trinken.
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- Durchs grüne Reich geh als der Namengeber
- Auf Fährten, deinem Traum zutiefst vertraut,
- Bemiß die Milch dem Wolf, die Wurz dem Eber,
- Schmück deinen Helm mit Purpur-Knabenkraut,
- Dem Seidenglänzer wie dem Wolkenweber
- Zoll deinen Spruch, und auf der Schlangenhaut
- Entziffre, was die Stifterin der Bünde
- Im Herzen hegt, und was sie wünscht, verkünde.
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- Zuerst wirst du, die Blicke an den Boden
- Geheftet, als der Bilder Souverän,
- Im Halm das Haar, im Hexen-Ei die Hoden
- Des Hirsches und im Schaft den Speer erspähn,
- Wo dich das Moos verlockt mit feuchten Loden,
- Schlüpf in den Fels, die Sporen auszusän
- Des Lichts, und schwimmt der Schwan vor deinem Nachen,
- Fährst du gefeit aus jeder Höhle Rachen.
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- Wer sich im Eichwald nach dem Einblatt bückte,
- Hab auch der Nester in den Wipfeln acht,
- Wen Adlerfarn und Rosmarin entzückte,
- Der hegt in seinen Waben reiche Tracht,
- Und daß dir glücke, was noch keinem glückte,
- Hoffst du: daß dir das Einhorn in der Nacht
- Erscheine, dich entrückend an die Quelle,
- Die Silber sprüht auf Lamm- und Widderfelle.
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- Nicht nur dem Erz im kühlen Grottendämmer,
- Nicht nur der Tiefe bist du zugewandt,
- Als Schild am Weiher und als Schilf-Durchkämmer
- Hältst du auf Molch und Otter deine Hand,
- Wo dir von Amselsang und Spechtsgehämmer
- Die Lichtung tönt, schling deiner Lilien Band
- Zum Ring, und gilts, die Eiche zu ersteigen,
- Bist du noch stets der erste in den Zweigen.
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- Lausch in die Höh, der Adler hat geschrieen,
- Vom Wind verführt wirf ab der Erde Last,
- Den glatten Stamm mit Armen und mit Knieen
- Umklammernd, strebst du auf zum sichren Ast,
- Bereit, noch weiter dich emporzuziehen,
- Die harsche Hand zu krallen in den Bast,
- Und aus dem Horst hebst du das Adlerjunge
- Ans Licht mit festem Griff und jähem Schwunge.
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- Schneeweiß im Flaum, im frühsten, sein Gefieder
- Vermag zu blenden deinen Herrscher-Blick,
- Du ahnst, daß ihm dein Wesen nicht zuwider,
- Du siehst dein Los geknüpft an sein Geschick,
- Du senkst ihn sanft in seine Wiege nieder,
- Du ziehst dich aus der Schwebe scheu zurück
- Und kommst herab, verwandelt und erhaben,
- Zu prunken weiß im Samt des Adlerknaben.
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- Schreit ab den Waldsaum, sieh im Ried verschwistert
- Die Knoblauch-Rauke mit dem Lerchensporn,
- Pflück aus dem Gras, drin leis der Tritt erknistert
- Des Wiesels, weiß den Aronstab, im Dorn
- Des Brombeer-Strauchs hör, was der Wind dir flüstert,
- Aus frischen Quellen speise deinen Born,
- Auf daß, wenn Wildgeruch die Maiendüfte
- Verschlug, der Ginster blüh aus deiner Hüfte.
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- Wo einst im Rausch das Zepter Pans du schwangest,
- Kehr ein am Hort, und wende dich, der du
- Des Waldes Wunder nie genugsam sangest,
- Betört von Schwalbenwurz und Frauenschuh,
- Zum Südhang wieder. Wo durchs Tal du drangest,
- Schließt hinter dir Gestrüpp die Pfade zu,
- Und nur der holdeste der Harnisch-Träger
- Schwirrt vor der Stirn dir als der Traum-Aufpräger.
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- Im Schatten jener Eiche sollst du rasten
- Zuletzt, Waldtaube lockt dich mit Gegurr,
- Wo Falter dir die Wange sacht betasten,
- Vergiß dich, Fäden spinn und Netze zurr,
- Der Jäger reicht sein Waidwerk dem Erblaßten,
- Hirschkäfer wallen auf im Brunst-Gesurr,
- Und jenem, der im Gras die Schlange träfe,
- Schwäng sie als Diadem sich um die Schläfe.
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- So streck dich aus mit samtenem Behagen
- Am Saum des Feuers, wo mit Lefzen rot
- Der Salamander wacht, laß Hörner ragen
- Im Laub, dort gieß den Wein und brich das Brot,
- Laß deinen Speer das Zelt der Sterne tragen,
- Solang im Rispen-Silber Soma loht,
- Und bis der Wächter seine Schar vergattert,
- Blas in die Glut, vom Asche-Flaum umflattert.
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- Ein Hold-Arom von Zimmet und Zitrone
- Wogt über Blütenhäuptern rosa-weiß,
- Die Göttin öffnet ihren Schoß dem Sohne,
- Daß Blut und Äther ihm die Flamme speis,
- Wer dies erfuhr, der heischt nicht Hort noch Krone,
- Wer hier versänke, säng der Sichel preis,
- Und wo die Aschwurz ihren Glanz metallen
- Entfacht, laß dich in ihre Fänge fallen.
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- Besteh die Huldin, die den Hain durchschreitet,
- Und Boten, die dir Widder-häuptig dräun,
- Und spür, die samtnen Schwingen sind gebreitet,
- Am Spiel der Eulen sollst du dich erfreun,
- Und wissend, daß im Zauber, der dich leitet,
- Der Hüter zwölf sind und der Häupter neun,
- Laß, eh der Duft verweh, die Nacht sich neige,
- Die Muschel glühn, daß ihr der Gott entsteige.
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- Der Gott der Wälder noch, der uralt-junge,
- Vom Busch, der brennt, einsog er das Arom,
- Mit Mohn im Haar und Purpur auf der Zunge,
- Hinflutend auf des Mondlichts kühlem Strom,
- Er läßt sich nieder, löst im Adlerschwunge
- Den Runen-Reif, und vor des Holders Dom
- Im Asche-Flaum, im Adler-Flaum, im grauen,
- Nimmst du das Gold des Traums aus seinen Klauen.
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- aus: Lingaraja, S. 9